Schlafmangel bei Ärzten – Wirkung wie besoffen.

Ärzte, die bei der Arbeit Alkohol konsumieren?
Ärzte mit 0,5 bis 1,0 Promille während der Arbeitszeit?
Das kann sich niemand vorstellen. Entweder wir stempeln das als unverantwortlich ab, oder wir lachen darüber, weil es für uns gar nicht denkbar ist.
Doch wir sollten uns mit diesem Thema auseinandersetzen.
Denn unsere Klinik-Ärzte leiden an Schlafmangel!

 

Studien sprechen dafür, dass ein Wachbleiben über 17 Stunden die Reaktionszeit derartig einschränkt, als hätte man 0,5 Promille Alkohol im Blut. Nach 22 Stunden Schlafentzug sind es bereits Auswirkungen wie mit 1,0 Promille!
Das kann Leben kosten und wird trotzdem hingenommen.
Es gerät auch schnell aus dem Blick, weil sich bislang nicht genug Menschen beschwert haben. „Der Laden läuft ja“ irgendwie. Das mit den geringen Beschwerden ist ganz praktisch, weil er ja auch laufen muss. Und es passt gut zu dem Leistungsanspruch von und an Ärzte. Unternimmt keiner etwas, weil einfach noch nicht genug passiert ist?
Weil diese diese für alle Beteiligten ungesunden Arbeitsbedingungen noch nicht „genug“ Menschenleben gefährdet haben, als dass die Kliniken sich in der Verantwortung sehen würden, etwas zu ändern?!

Ich glaube, eine so schnelle Erklärung greift zu kurz. Ich weiß, dass eine Veränderung nicht von heute auf morgen geht, und mit ein paar zusammengestückelten Stunden Schlaf zwischendrin macht auch nicht jeder Nachtdienst gleich zum Zombie. Bevor unnötig Angst entsteht: Die ganz große Mehrzahl der Ärzte im Krankenhaus hatte die vorherige Nacht genug Zeit, sich im eigenen Bett zu erholen. Der beliebte Rundumschlag im Sinne von „jeder Weißkittel gefährdet Patienten“ regt mich auch jedes Mal auf, wenn ich ihn höre.

Und dennoch brauchen wir alle, Ärzte und Patienten, Standesvertreter, Versicherungen und Politik, ab und zu diese drastischen Töne. Denn das eigentlich Erschreckende ist, dass sich die alte Kultur des „Halbgott in Weiß“ immer noch so hartnäckig hält. Selbstüberforderung bis zum klaglosen Schlafentzug inklusive.

Hierzu möchte ich gerne den Vorsitzenden des Marburger Bundes Hamburg zitieren, brandfrisch von der Ärztekammer-Veranstaltung „Kittel meets Kammer“ am 22.11.2017 (auf dem Schlafmangel als Thema nicht angesprochen wurde):

Damit die Dinosaurier aussterben können, muss ein Klimawandel her!

[…] denn Saurier gebären Saurier.

Dr. Pedram Emami

Warum das so ist, würde wahrscheinlich mehr als nur einen Newsbeitrag füllen. Aber jeder Arbeitnehmer weiß, dass „freiwilliger“ Einsatz über die Arbeitszeit hinaus dem Chef gefällt. Und für Ärzte lässt sich das häufig direkt in Förderung der Weiterbildung übersetzen. Erstmal buckeln, um schneller die Unabhängigkeit als Facharzt zu erreichen.
Als Weiterbildungassistentin in der Klinik hätte ich so einen Artikel nie öffentlich geschrieben, befürchtete, allein dazustehen.

Aber hoffnungsfroh hat mich gestimmt:

Rund 80% aller 25-40 jährigen Ärzte mit Berufserfahrung sehen das Konzept „Halbgott in Weiß“ spätestens im Jahr 2030 als überholt an.

Deutsche Apotheker- und Ärztebank, aktuelle Studie „Zukunftsbild Heilberufler 2030“

Wow. Ich bin also überzeugt, dass sich was ändern kann und wird. Schritt für Schritt, individuell und über große Politik. Über Solidarität und gutes Kommunizieren von (Leistungs-)Grenzen. Und auch über notwendige Vorschriften. Ohne entsprechende Gerichtsurteile („Bereitschaftszeit ist Arbeitszeit“) wäre Übermüdung bei Ärzten noch stärker. Daher danke ich heute noch dem mutigen damaligen Assistenzarzt Dr. Norbert Jäger.

Ein gängiges Beispiel für Berufe, in denen dieses Risiko des Schlafmangels erkannt wurde, sind die LKW-Fahrer. Die so genannte „Ruh- und Lenkzeit“ ist sogar gesetzlich geregelt und wird strengsten überprüft. Ärzte haben eine ähnlich hohe Unfallgefahr nach Schlafentzug, denn dieser macht nachweislich nicht nur reizbarer und risikofreudiger, sondern führt zu enormen Konzentrationsverlust. Obwohl es für „sicherheitsrelevante“ Bereiche spezielle Angebote gibt, wird diese Gefahr leider oft nicht gesehen und gerne unterschätzt. Sonst wäre die Gesundheitsversorgung ja noch schwieriger als sowieso schon.

Doch erinnern Sie sich bitte an das letzte Mal, dass sie nicht ausgeruht zur Arbeit gehen mussten. Wahrscheinlich haben Sie abends das Büro mit Gedanken verlassen, wie unproduktiv Sie nur gewesen sind. Beschäftigten im Gesundheitssektor bleibt die Möglichkeit unproduktiv zu sein leider nicht. Sie müssen alle Aufgaben erledigen, die schon in einem „normalen“ Arbeitstag nicht alle Platz haben. Daher oft auch länger bleiben, als über die geplante Arbeitszeit hinaus. Wie viele Arztbriefe und Gutachten in den Nachtdiensten geschrieben werden statt zu schlafen, damit tagsüber der Betrieb einigermaßen laufen kann, taucht in keiner Statistik auf. Das setzt nicht nur das Wohl der Patienten aufs Spiel, sondern strapaziert neben der eigenen Gesundheit auch die Stimmung im Team. Das mag banal klingen, hat über längere Zeiträume aber verheerende Auswirkungen.

Auch wenn man nicht alles auf einmal umkrempeln kann, und nicht jeder seine Weiterbildung hinterfragen will: Als Coach und mit meiner persönlichen Erfahrung kann ich schon mit kleinen Methoden helfen, im Alltag Abhilfe zu schaffen. Ich  Sie gerne darin, auf sich persönlich zu achten und auf ein funktionierendes, sich gegenseitig stärkendes Team – trotz dieser alltäglichen Belastung. Auch in ganz kleinen Schritten lässt sich eine spürbare Besserung erreichen. Damit wir nicht klagend und resigniert auf den Tag warten müssen, an dem entweder alles zusammenbricht oder das Paradies auf Erden erscheint.

 

Zu meinem Hintergrund:

Zeitgleich mit meiner fachärztlichen Ausbildung zur Chirurgin habe ich mich inhaltlich mit dem Thema Coaching beschäftigt – besonders im Hinblick auf Belastungssituationen im Klinikalltag. Als Fachärztin kenne ich die Krankenhausflure bei Tag und bei Nacht – und bei jeder Geschwindigkeit.

Als zertifizierter Business-Coach (nach DVCT) verbinde ich diese praktische Erfahrung mit Methodenkompetenz und fundierten Werkzeugen, die Ihre Situation nachhaltig verbessern und im Klinikalltag funktionieren.

Die Gewinner: Sie. Ihr Team. Und Ihre Patienten.

 

Einige weiterführende Artikel zum Themengebiet:

http://www.cmaj.ca/content/cmaj/183/15/1689.full.pdf

http://www.der-niedergelassene-arzt.de/home/news/article/jeder-dritte-im-schichtdienst-leidet-unter-schlafstoerungen/

https://www.aerzteblatt.de/archiv/88231/Krankenhaeuser-Was-Pflegekraefte-unzufrieden-macht

 

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